Landratskandidat erstaunt mit homophoben Aussagen – und rudert zurück.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung und Einschätzung des Autors wieder. Die dargelegten Standpunkte spiegeln nicht notwendigerweise die Position der Redaktion wider.

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Beim Wahlforum in Lippe sorgte Landratskandidat Andreas Epp mit Aussagen über homosexuelle Mitarbeitende für Empörung. Was sagt das über den Umgang mit Vielfalt im öffentlichen Dienst – und wie weit dürfen religiöse Überzeugungen in der Politik reichen? Eine Meinung.

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Zum Hintergrund

Der Landratskandidat Andreas Epp der Partei „Aufbruch C“ wurde im Rahmen eines Wahlforums, ausgerichtet von der Lippischen Landeszeitung und Radio Lippe, vom Chefredakteur der Lippischen Landeszeitung gefragt, wie dieser eine Zusammenarbeit mit einem homosexuellen Mitarbeiter sehen würde. Die Frage sollte die Haltung des Kandidaten gegenüber homosexuellen Menschen im Alltag deutlich machen.

Das Grundsatzprogramm

Im Grundsatzprogramm der Partei steht im ersten Absatz geschrieben: „Unser jetziges Team versucht nach besten Kräften und im besten Sinne, christlich orientierte Werte zu leben und dieses Verständnis auch in die politische Arbeit zu tragen.“.

Weiter steht unter dem Punkt „Respekt ist ein wichtiges Wort für unsere Partei“: „Zu unserem Werteverständnis gehört auch, Menschen, die anders fühlen, andere Überzeugungen oder einen anderen Glauben haben, zu respektieren. Unsere Werte geben wir nie auf. Aber aus dem gebotenen Respekt heraus sind wir sicherlich gute, verantwortungsvolle Ansprechpartner für alle Menschen.“

Der Aufreger

Der LZ-Chefredakteur Dirk Baldus stellte dem Lagenser Stadtrat und Landratskandidaten folgende Frage.

Sie sind neu im Amt des Landrats und einer Ihrer engsten neuen Mitarbeiter sagt Ihnen, dass er homosexuell ist. Und er fragt Sie, ob das ein Problem für Sie sei. Wie antworten Sie?

Seine Antwort (sinngemäß): Da müsse er schlucken, das wäre etwas, das er in der Partei nicht nicht tragen könne. Es sei für ihn definitiv nicht tragbar. Und: „Da müssten wir uns ganz klar zusammensetzen“, und es wäre für ihn definitiv nicht tragbar.

Die Reaktionen

In den sozialen Medien wurde natürlich sehr aktiv und emotional über die Aussagen gesprochen. Epp erhielt dabei meist Gegenwind – ein Großteil der in den Kommentaren aktiven Menschen steht für die Vielfalt der Gesellschaft und kann sich nicht vorstellen, diesem Mann bei der Wahl zum Landrat seine Stimme zu geben.

Norbert Willinzig, Lemgoer Stadtrat der Partei Aufbruch C, schreibt am 04.09.2025 auf der Facebook-Seite der Partei (Auszug): „Ich und auch Aufbruch C Lemgo distanzieren uns zu 100 % zu den Aussagen von Andreas Epp !!!!“ (Quelle: Facebook-Beitrag)

Der amtierende parteilose Bürgermeister Markus Baier, der aber von Aufbruch C und der CDU unterstützt wird, sagt in einem Gespräch mit der Lippischen Landeszeitung: „Das, was Herr Epp gesagt hat, geht einfach gar nicht, passt nicht zum öffentlichen Dienst, zu so einem Amt wie dem des Landrats und zu mir.“.

Die CDU Lemgo, die im Lemgoer Stadtrat unter anderem auch mit Aufbruch C zusammenarbeitet, lässt in einer Pressemitteilung (PDF) verlauten: „Homophobie hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Punkt.“

Weitere Lokalpolitiker positionierten sich vor dem Hintergrund der homophoben Aussagen. Diese werde ich nicht weiter erläutern oder verlinken, da diese nicht zum eigentlichen Thema dieses Beitrags beitragen.

Religiösität und Homophobie im Öffentlichen Dienst

Mir stellt sich die Frage: wie passen (eventuell fundamentale) religiöse Ansichten und Homophobie in den Öffentlichen Dienst? Ist jemand, der offensichtlich so sehr von seinem Glauben gelenkt wird, geeignet, ein öffentliches Amt wie das eines Landrats zu bekleiden?

Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes besagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“.

Paragraph 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sagt: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“.

Stellungnahme von Andreas Epp

In einer persönlichen Stellungnahme schreibt Epp folgendes:

Screenshot der Stellungnahme vom 05.09.2025 auf der Website der Partei Aufbruch C. (erstellt am 12.09.2025)

Einer dieser Sätze ist „Meine damalige Aussage war von meiner persönlichen, religiösen Überzeugung geprägt.“.

Direkt darauf folgend: „Ich habe in diesem Moment nicht so gesprochen, wie es meinen eigenen Ansprüchen an Nächstenliebe, Respekt und christliche Werte entspricht.“.

Ist das nur für mich ein Widerspruch? Seine Aussage, ein Problem mit der Homosexualität eines Mitarbeiters zu haben, war von seiner persönlichen, religiösen Überzeugung geprägt, aber entsprach nicht seinen Ansprüchen an Nächstenliebe, Respekt und christliche Werte?

Christliche Werte sind ja gut und schön. Nächstenliebe, Akzeptanz. Eigentlich die Grundlage eines vernünftigen Zusammenlebens – ob man nun Christ ist oder nicht.

Problematisch wäre eine am Alten Testament ausgerichtete Amtsführung, da sie mit heutigen Gleichbehandlungsgrundsätzen kollidiert.

Persönliche religiöse Ansichten und die Ausrichtung der eigenen Moral auf biblische Wertevorstellungen könnte mit Art. 3 GG und den Vorgaben des AGG in Konflikt geraten, wenn sich diese Haltung in Amtsausübung niederschlägt. Wer ein öffentliches Amt bekleiden will, soll in erster Linie dem Wohl des Volkes dienen. Und zwar dem Wohl des gesamten Volkes. Dabei darf keine Ausgrenzung stattfinden. Das gilt auch bei Mitarbeitern, die natürlich in einer Abhängigkeit leben und es sich zwei- bis dreimal überlegen würden, einem Vorgesetzten nach solchen Aussagen ehrlich und aufrichtig zu vertrauen.

Auch andere Parteien tragen den Zusatz „Christlich“ im Parteinamen. Dagegen ist, rein theoretisch, nichts einzuwenden. Inwiefern dieses „Christlich“ nur noch Dekoration ist, sei dahingestellt.

Dennoch sollte man auch als (praktizierender) Christ im hier und jetzt, im heute leben. Die Akzeptanz anderer Meinungen, der Respekt vor Lebensformen, die nicht der eigenen entsprechen, die Würde und der Anstand sollten Basis jeder Partei sein. Und nicht nur im geschriebenen Wort der Parteiprogramme, sondern auch im Leben der Parteimitglieder – ganz besonders dann, wenn sie ein Amt bekleiden wollen und Führungs- und Personalverantwortung übertragen bekommen sollen.


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