
Gefährlicher Arbeitsplatz: Kleine Anfrage an Kieler Landtag offenbart Risiken für Offshore-Arbeiter:innen
Offshore-Windparks sind eine der zentralen Säulen der Energiewende. Während ihre Zahl rasant wächst und die installierte Leistung neue Rekorde erreicht, bleibt ein entscheidender Aspekt oft unbeachtet: die Sicherheit der Menschen, die auf den Anlagen arbeiten. Wer sich Dutzende Kilometer von der Küste entfernt auf hoher See aufhält, ist potenziell lebensgefährlichen Bedingungen ausgesetzt. Unfälle, plötzliche medizinische Notfälle oder technische Störungen erfordern schnelle und koordinierte Rettungsmaßnahmen. Doch genau hier offenbart sich ein alarmierendes Problem: In Deutschland existieren keine einheitlichen Standards für die Rettungskette, während Länder wie Dänemark strikte Vorschriften und klar geregelte Zuständigkeiten etabliert haben. Eine aktuelle Kleine Anfrage im Schleswig-Holsteinischen Landtag zeigt nun, dass in deutschen Offshore-Windparks erhebliche Lücken im Sicherheitskonzept bestehen – mit potenziell tödlichen Folgen.
Arbeiten auf hoher See ist mit besonderen Risiken verbunden. Die Bedingungen sind oft extrem: Stürme mit hohen Windgeschwindigkeiten, starke Strömungen und eisige Temperaturen können die Sicherheit der Beschäftigten gefährden. Selbst alltägliche Arbeiten auf den Windkraftanlagen bergen Gefahren. Stürze, Quetschungen oder technische Defekte können schnell zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Im schlimmsten Fall kann es zu Bränden oder Leckagen kommen, die eine sofortige Evakuierung erfordern. Während an Land ein Rettungswagen in wenigen Minuten eintrifft, können in Offshore-Windparks Stunden vergehen, bis Hilfe vor Ort ist. In solchen Fällen sind eine lückenlose Alarmierungskette, ein schnelles Eingreifen und gut ausgebildetes Personal entscheidend.
Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Christian Dirschauer (SSW) offenbart ein unübersichtliches System ohne klare Vorgaben. Anders als in Dänemark gibt es in Deutschland keine einheitlichen gesetzlichen Standards für Offshore-Rettungen. Stattdessen liegt die Verantwortung bei den einzelnen Betreibern, die selbst entscheiden, welche Rettungsmaßnahmen sie für notwendig erachten.
Dirschauer nutzt in seiner Pressemitteilung vom 04.03.2025 die Überschrift „Offshore-Rettungs ist Glückssache“ und zeigt auf, dass in Sachen Offshore-Rettung zwar Leitfäden, aber keine gemeingültigen Standards existieren.
Da draußen herrscht ein Stück weit Wilder Westen!
Christian Dirschauer, Fraktionsvorsitzender der SSW-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein
Während einige Windparkbetreiber auf gut ausgestattete Rettungsteams setzen und medizinisches Personal direkt vor Ort haben, verzichten andere auf solche Vorkehrungen. Auch die technische Ausstattung unterscheidet sich erheblich. Manche Anlagen verfügen über moderne Hubschrauberlandeplätze, andere müssen sich auf umständliche Bergungsverfahren verlassen. Besonders problematisch ist zudem, dass nicht alle Notfallmaßnahmen aufeinander abgestimmt sind. In der Praxis kann das bedeuten, dass eine Verletzte oder ein Verletzter länger auf Hilfe warten muss, weil es an klaren Rettungsabläufen fehlt.
Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass es auch anders geht. Der sogenannte Offshore Safety Act verpflichtet Betreiber dazu, umfassende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen und deren Einhaltung regelmäßig zu überprüfen. Jeder Windpark muss über ein standardisiertes Gesundheits- und Sicherheitsdokument verfügen, das detaillierte Vorgaben zu Notfallplänen und Evakuierungsmaßnahmen enthält. Zudem sind regelmäßige Notfallübungen verpflichtend, um sicherzustellen, dass Rettungsteams optimal auf Einsätze vorbereitet sind. Die dänische Energiebehörde kontrolliert die Einhaltung dieser Vorschriften und kann Verstöße sanktionieren. Diese klar geregelte Struktur trägt dazu bei, dass Offshore-Rettungseinsätze effizienter und schneller ablaufen als in Deutschland. Die Frage, warum in Deutschland bisher keine vergleichbaren Vorgaben existieren, bleibt unbeantwortet.
Ein weiteres Problem ist die unzureichende Erfassung von Rettungseinsätzen und Unfällen. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage gab es in den vergangenen Jahren zwischen 39 und 106 Offshore-Notfälle pro Jahr, wobei nicht erfasst wird, wie viele dieser Einsätze tatsächlich lebensbedrohlich waren oder gar tödlich endeten. Diese fehlende Transparenz macht es schwer, Risiken realistisch zu bewerten und gezielte Verbesserungen einzufordern. In Dänemark hingegen werden sämtliche Einsätze dokumentiert und analysiert, um Schwachstellen im System frühzeitig zu erkennen und Sicherheitsstandards kontinuierlich anzupassen.
Gewerkschaften und Arbeitsschutzexperten fordern schon seit Langem, dass Deutschland dringend nachbessern muss (siehe z.B. Buten un Binnen). Klare gesetzliche Vorgaben, regelmäßige Kontrollen und eine einheitliche Schulung von Notfallpersonal könnten dazu beitragen, Leben zu retten. Auch eine bessere Koordination zwischen Windparkbetreibern und staatlichen Stellen wäre notwendig, um Rettungseinsätze effektiver zu gestalten. In der Politik scheint es jedoch bislang keine konkreten Pläne zu geben, um die Sicherheitsvorschriften zu verschärfen. Dabei zeigt das Beispiel Dänemark, dass klare Regeln nicht nur die Sicherheit verbessern, sondern auch für alle Beteiligten mehr Planbarkeit und Effizienz bringen.
Meinung
Die Energiewende darf nicht auf Kosten der Menschen gehen, die täglich für den Ausbau der Windkraft arbeiten. Während die Anlagen immer weiter ins Meer hinaus gebaut werden, bleibt die Frage nach ihrer Sicherheit offen. Solange Deutschland keine verbindlichen Offshore-Rettungsstandards einführt, bleiben die Arbeiter:innen auf hoher See einem unberechenbaren Risiko ausgesetzt. Es braucht dringend eine politische Debatte über die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen – bevor der nächste Notfall eintritt und die fehlenden Standards zur tödlichen Falle werden.